„Touchscreens sorgen für weniger Fingerfertigkeit“, das steht heute im Newsticker von Heise Online. Was steckt dahinter? Überhaupt nichts. Und das ist ein Problem.

unrolled Twitter-Thread

Anlass für den Artikel ist die Äußerung des Londoner Chirurgie-Professors Roger Kneebone. Er hält seine Nachwuchs-ChirurgInnen für zu ungeschickt und vermutet, das muss an den Touchscreens liegen. Journalistische Aussagekraft: Keine.

Viele schlechte Science-Artikel verwechseln Korrelation und Kausalität. Dieser Artikel unterbietet das. Hier gibt es nicht einmal eine Studie, die den Zusammenhang zwischen Fingerfertigkeit und Touchscreen-Nutzung aufzeigen will. Es gibt allein die Vermutung einer Person.

Dahinter steht eine Kulturgeschichte der Technik-Feindlichkeit. Beispiel Bücher, 18. Jahrhundert. „Der Mangel aller körperlichen Bewegung beim Lesen (…) führt zu Schlaffheit, Verschleimungen, Blähungen und Verstopfung“, warnte Pädagoge Karl Bauer.

Beispiel Eisenbahn, 19. Jahrhundert: Die „Eisenbahnkrankheit“ soll bei Reisenden Zittern, Ermüdung, Erschöpfung, Reizbarkeit und Verdauungsstörungen auslösen.

Beispiel Tonfilm, 20. Jahrhundert: „Tonfilm ist wirtschaftlicher und geistiger Mord! Lehnt den Tonfilm ab!“

Gegenfrage: Hat Herr Kneebone schonmal versucht, auf einem 5,1-Zoll-Smartphone-Touchscreen die mobile Version des Rockstar-Games „Bully“ zu spielen, das ursprünglich für die Konsole entwickelt wurde? Auch das ist Fingerfertigkeit.

Zum Abschluss noch eine Vermutung von mir. Ich sehe häufig Tippfehler in Twitter-Threads. Ich vermute, Twitter-Threads lassen die Finger anschwellen. Gerne stelle ich mich als Experte für ein Interview zur Verfügung, „Twitter-Threads sorgen für Wurstfinger“. DMs sind offen.