Ende 2021 hatte ich mir vorgenommen, mehr Liebe in die Bebilderung von Artikeln zu stecken – aber nicht viel Zeit, denn die habe ich nicht. Inzwischen hat sich dafür eine Routine aus drei simplen Schritten herausgebildet.

Seit Jahren mache ich mir eine Menge Gedanken über Titel, Teaser und erste Sätze meiner Artikel, aber kaum über die Bebilderung. Und das geht nicht nur mir so. Während YouTube-Thumbnails ein Handwerk für sich sind und einige Kanalbetreiber:innen ihre Bildsprache sorgfältig optimieren, verbreiten Nachrichtenmedien auf ihren Websites oft den Einheitsbrei von Bildagenturen. Erfahrungsgemäß schnappt man sich auf den letzten Drücker ein Bild aus den ersten Suchergebnissen, damit der Artikel endlich online gehen kann.

Häufig führt die Suche nach einer einigermaßen akzeptablen Bebilderung durch ein Gruselkabinett aus schwer erträglichen Symbolfotos. Im Tech-Journalismus sind das zum Beispiel Bildschirme mit Einsen und Nullen, Tastaturen mit einer „Mobbing“-Taste, und natürlich Menschen in schwarzen Hoodies, der offiziellen Uniform aller Hacker:innen

Ein Ausweg wären professionell gestaltete Bilder von Grafik-Designer:innen, die teils richtig gut werden. Aber selbst wenn eine Redaktion eine solche Stelle besetzt, ist die Kapazität der Grafik-Kolleg:innen begrenzt.

Als ich im Oktober 2021 bei netzpolitik.org anfing, wollte ich eine alltagstaugliche Alternative finden: Weg vom Einheitsbrei der Bildagenturen, hin zu einer Routine für bessere, aber auch möglichst schnelle Bilder. Acht Monate später schreibe ich mal auf, welche Routine bisher daraus geworden ist – für alle, die damit vielleicht etwas anfangen möchten. Kurzfassung: Zwei Motive und ein Hintergrund, Filter drauf, fertig.

Schritt 1: Vordergrund

Wenn ich schon eine neue Routine finden will, so ging es mir durch den Kopf, dann mit einer quelloffenen, kostenlosen Software. Also habe ich mir Gimp heruntergeladen. Einen Preis für intuitive Bedienung bekommt Gimp von mir nicht, aber ich möchte mich ohnehin auf wenige Funktionen beschränken.

  • Gimp öffnen > Datei > Neu > Breite 1920 Pixel > Höhe 1080 Pixel > OK

Als erstes frage ich mich, welches Motiv ich freistellen kann, und damit besonders hervorheben. Dabei will ich mich nicht verkünsteln und schnell eins, zwei Motive finden, die unmittelbar aus dem Artikel hervorgehen.

Ein Artikel über gekaufte Likes auf Instagram? Likes und Geldscheine. Ein Artikel über Mark Zuckerberg? Mark Zuckerberg. Dieser Blogbeitrag hier über Bildbearbeitung? Eine Screenshot der Gimp-Werkzeugleiste und eine Person, die etwas Handwerkliches macht.

Material für den Vordergrund. (Foto: Jimmy Nilsson Masth on Unsplash)

Als Quelle bieten sich Datenbanken mit freien Lizenzen an wie Pixabay oder Unsplash, ansonsten ist ein Redaktions-Abo bei einer Bildagentur wie Imago eine große Hilfe. Ich suche nach Bildern, die sich gut freistellen lassen, also sich durch Schärfe und/oder Farbe vom Hintergrund abheben. Als zusätzliches Material liegen bei mir die Logos bekannter Tech-Firmen in einem Ordner bereit: Facebook, Twitter, Telegram, und so weiter.

Beim Freistellen mache ich es mir sehr einfach und nutze dieses kostenlose, automatische Browser-Tool: Inpixio. Wenn jemand eine leicht bedienbare, quelloffene Alternative kennt: gerne her damit. Auch mit Gimp lassen sich Objekte per Zauberstab-Symbol freistellen, aber das dauert mir zu lange.

Inpixio.com: Mit Erase/Restore lassen sich kleine Korrekturen vornehmen. (Foto: Jimmy Nilsson Masth on Unsplash)

Auf freigestellte Objekte lege ich gerne einen Rauschfilter. Das hat mehrere Vorteile. Freigestellte Objekte aus mehreren Quellen passen so besser zusammen und fügen sich organisch ins neue Bild ein. Stark vergrößerte Screenshots sehen weniger trashig aus. In diesem Fall lege ich den Rauschfilter auf den Screenshot.

  • Filter > Rauschen > CIE Ich Noise > Dulling nach rechts schieben > OK
Hier ist der Unterschied jetzt nicht so krass, aber dennoch: links mit CIE Ich Noise, rechts ohne.

Objekte mit CIE-Ich-Noise erinnern mich an ausgedruckte Bilder auf mattem Papier. Ich finde, es hat etwas Beruhigendes fürs Auge, wenn nicht alles gestochen scharf ist, sondern etwas körnig. Manchmal reduziere ich zusätzlich die Sättigung und lasse ein Objekt grau, oder ich färbe es per Farbtemperatur, zum Beispiel gelblich oder bläulich.

  • Farben > Sättigung > Scale herunterregeln > OK
  • Farben > Farbtemperatur > mit Schiebereglern herumprobieren > OK

Schritt 2: Hintergrund

Oft passt schon der Hintergrund eines zuvor freigestellten Objekts gut ins Bild. Ab und zu suche ich ein neues Motiv, zum Beispiel dieses Auge für einen Artikel zu Überwachung. Manchmal ist weniger mehr, und als Hintergrund genügt ein schlichter Farbverlauf.

  • Ebene > Neue Ebene > OK > Werkzeuge > Malwerkzeuge > Farbverlauf > mit dem Mauszeiger die Achse des Farbverlaufs festlegen > mit dem Mauszeiger Start- und Endpunkte optimieren und Farben anpassen
Das ist nur ein Zwischenschritt, gleich kommt noch was.

Ich verfremde Hintergründe gerne mit einem Filter. Bei Gimp imitiert der Newsprint-Filter die Muster, die mechanische Druckverfahren auf Papier hinterlassen. Ich mag die Idee, solche Muster jetzt als Stilmittel einzusetzen, zur Erinnerung an eine Zeit, als Journalismus ohne Altpapier undenkbar war. 

Der Newsprint-Filter funktioniert besser, wenn ein Motiv vorher per CIE Ich Noise verrauscht wurde. Generell verändert der Newsprint-Filter ein Motiv sehr stark. Ich dupliziere die Ebene deshalb vor dem Filtern. Dann lege ich den Filter allein auf die kopierte Ebene und regele die Deckkraft herunter. Auf diese Weise scheint die ungefilterte Ebene darunter hervor.

  • Rechtsklick auf Ebene > Ebene duplizieren > duplizierte Ebene auswählen > Filter > Rauschen > CIE Ich Noise
  • Filter > Verzerren > Newsprint > unter „Pattern“ je nach Gefühl „Line“ oder „Circle“ wählen > „Period“ und „Angle“ je nach Gefühl justieren > OK > Klick auf Ebene > Deckkraft senken
Newsprint-Filter mit 43 Prozent Deckkraft über schlichtem Farbverlauf.

Manchmal hebe ich einzelne freigestellte Objekte zusätzlich durch einfarbige Formen hervor. Im Bild für diesen Blogbeitrag bekommt die Person mit Hammer ein Oval.

  • Ebene > Neue Ebene > OK > linke Werkzeugleiste > Vordergrundfarbe nach Wahl einstellen > Button „elliptische Auswahl“ > Oval zeichnen > Bearbeiten > mit Vordergrundfarbe füllen > Oval nach Gefühl verschieben und verformen
Vorher-Nachher-Vergleich mit und ohne Oval. (Foto: Jimmy Nilsson Masth on Unsplash)

Eine optionale Spielerei ist ein weißer Rahmen, der dann von freigestellten Objekten überlappt wird. Das erste Mal bemerkt habe ich das in Grafiken von Sabrina Schrödl fürs VICE-Magazin. 

  • Ebene > Neue Ebene > OK > Vordergrundfarbe Weiß wählen > Button „rechteckige Auswahl“ > Rechteck zeichnen > Bearbeiten > mit Vordergrundfarbe füllen > Ebenen duplizieren und drehen > Rahmen bauen

Schritt 3: Montage

Der Rest ist herumschieben, drehen, Größen ändern. Ich dachte zuerst, so ein Bild nennt man Collage. Später habe ich gemerkt, Montage passt besser. Die Abgrenzung der Begriffe ist teils unscharf.

Es gibt Tutorials für Bildkomposition, klassisch ist der Goldene Schnitt. Ich schiebe eher nach Bauchgefühl herum und messe nicht nach. Es lohnt sich, wenn man Objekte auch mal ganz groß zieht und nur angeschnitten zeigt. Zum Schluss zoome ich heraus: Wirkt das Bild auch noch stimmig und verständlich, wenn es klein angezeigt wird? Okay.

  • Datei > Exportieren als > dateiname.jpg

Weitere Beispiele