Einmal im Jahr schicke ich eine E-Mail an meine Auftraggeber:innen, die mir das Gendern verbieten. Hier im Blog dokumentiere ich sie.
Betreff: Because it’s 2022 | Neuer Anlauf mit freundlicher Bitte um Rückmeldung
Liebe Kolleg:innen,
ich freue mich sehr, dass wir zusammenarbeiten. Mir wurde mitgeteilt, ich könne in meinen Veröffentlichungen nicht gendern. Ich bitte freundlich darum, dieses Verbot aufzuheben.
Inzwischen verwende ich den Genderstern oder den Gender-Doppelpunkt möglichst immer. Das betrifft meine journalistischen Texte und Tweets aber auch Chats, E-Mails und private Notizen.
Es gibt nur wenige Ausnahmen, in denen ich das nicht mache, etwa, wenn ich unkonzentriert bin oder Anfeindungen erwarte, die ich in dem Moment vermeiden will.
Ich gendere aus der Überzeugung, dass sich Sprache weiterentwickelt, und dass diese Form zu sprechen und zu schreiben jetzt gut, wichtig und angemessen ist, um Frauen, nicht-binäre Personen und alle anderen Menschen, die sich in der traditionellen Schreibweise nicht wiederfinden, nicht auch noch sprachlich zu marginalisieren. Ein Text im generischen Maskulinum oder mit nur männlicher und weiblicher Form ist in meinen Augen feindlich gegenüber diesen Personen.
Wenn ich in einer Veröffentlichung nicht gendere, werde ich von meinem Umfeld darauf angesprochen. Ich werde gefragt, ob ich es vergessen habe oder ob man mir es verboten hat. Solche Fragen kommen unter anderem von meinen Freund:innen und meinen Kolleg:innen. Auch ich stelle solche Fragen, wenn ich das bei anderen beobachte. Gendern gehört zu meinem Alltag.
Ich finde es nicht schlimm, wenn Menschen für sich entscheiden, nicht zu gendern. Sprache entwickelt sich weiter, und alle dürfen dabei mitmachen. Es gibt ein Nebeneinander von Schreib- und Sprechweisen, für die wir uns selbstbestimmt entscheiden. Niemand kann vorhersagen, wie wir in Zukunft sprechen und schreiben.
Ich betrachte es als Fremdbestimmung, wenn man mir ausdrücklich untersagt, in meinen eigenen Veröffentlichungen zu gendern. Das ist mir inzwischen sehr unangenehm. Unter diesen Umständen muss ich mir zwei Mal übelegen, ob ich einen Auftrag annehme.
Deshalb lautet meine Bitte, eine Erlaubnis fürs Gendern in meinen Veröffentlichungen zu erhalten. Falls das nicht möglich ist, werde ich meine Bitte in einem Jahr erneuern. Ich habe die E-Mail ohne Angabe von Adressat:innen unter Creative-Commons-Lizenz auf meinem Blog veröffentlicht, damit andere Kolleg:innen sie bei Interesse auch für sich verwenden und bearbeiten können.
Vielen Dank und viele freundliche Grüße
CC0 1.0 Universell (CC0 1.0)