Aus den Ruinen von StudiVZ und MeinVZ ist das neue VZ.net geworden. Eine deutsche Facebook-Alternative, die besonders freundlich und transparent auftritt. Wird das was?

Bevor Facebook alles platt machte, waren die VZ-Netzwerke die mächtigste soziale Plattform in Deutschland. 2015 hatte ich mir für den SPIEGEL angeschaut, was davon übrig war. Ein treuer VZ-User nannte es damals schon: eine „Stadt voller Zombies“.
Mit dem Relaunch von VZ.net ist vieles neu, aber auch vieles alt geblieben. Mit Buschfunk, Plauderkasten und Gruscheln soll eindeutig die alte VZ-Generation zurückgelockt werden.
Auch beim Thema Privatsphäre lebt VZ.net noch in der Vergangenheit. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, damit nur Absender und Empfänger private Nachrichten lesen können? Gibt’s nicht. Stattdessen nur ein warmes Versprechen: „Wir lesen keine Nachrichten mit.“ Na dann!
Eine Desktop- oder Smartphone-App bietet VZ.net nicht. Man muss es im Browser nutzen. Immerhin: Die Pressestelle kündigt auf meine Anfrage an, Apps seien geplant. Ein Datum möchte man mir aber nicht nennen. Die Apps hätten dann auch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Kommen wir zum Nutzungserlebnis. „Ist echt cool hier. Wir schwören!“, verspricht VZ.net. Das ist ziemlich mutig für eine Plattform, die seit rund 10 Jahren als uncool gilt. Underdogs verdienen Sympathie, also lasse ich mich drauf ein.
Nach der Registierung soll ich anklicken, wofür ich mich interessiere. Eine der ersten vorgeschlagenen Kacheln heißt: „Spaß und Unsinn“. Der Schlawiner in mir fühlt sich angesprochen. In der Ferne schmeißt ein Roflcopter wummernd seinen Motor an. Ich klicke drauf.
Bei der Auswahl meiner ersten VZ-Gruppen hebt der Roflcopter ab. Der „VZ-Tipp“ für die ultimativ lustige Gruppe ist: „Brot kann schimmeln, was kannst du?“
Mutig, denke ich mir. Mutig von einer gealterten Online-Plattform, so offensiv über Schimmel zu witzeln. Entweder gelingt VZ.net gerade der ironische Befreiungsschlag oder es ist ein Kopfsprung in die Bedeutungslosigkeit.
Ich streife durch das neue VZ. Fühlt sich an wie ein sorgsam vorbereitetes Sommerfest, bei dem keiner kommt. Die meisten Lebenszeichen stammen von VZ-Angestellten, die in den verwaisten Gruppen Stimmung machen, Spruchbilder posten, Fragen in die Runde werfen.
Besonders absurd ist die VZ-Gruppe „für echte Männer“. Keiner postet was. Außer ein paar VZ-Moderatorinnen (sic!), die offenbar das echt-männliche Gespräch in Gang bringen wollen. Mit frauenfeindlchen Bildchen.
„Witzige Memes über Frauen“ heißt ein Thread in der VZ-Gruppe „für echte Männer“. Eröffnet von einer VZ-Moderatorin. Zu sehen ist u.a. ein Bild, das ich nicht twittern möchte, aber kurz zusammenfasse: Verheiratete Frauen sähen demnach aus wie Gollum… also hässlich.
Hässliche Frauen! Noch nie war ein Tag so lollig. Horst und Jockel klopfen sich die Schenkel blau. Ein Geschwader aus Roflcoptern donnert am Himmel.
Fazit: Ich glaube schon, dass es Leute gibt, die Facebook nicht vertrauen und die oftmals aggressive Stimmung dort nicht mögen. Eine Alternative könnte in der Nische funktionieren. Mit seiner Cringe-Aura wird es VZ.net aber schwer haben, diese Nische auszufüllen.