Einige furchtbare Apps sind ein Genre für sich. Sechs davon begegnen mir ständig.
Typ 1: Der Geldgeier
Die meisten Geldgeier-Apps sind Spiele mit teuren In-App-Käufen. Ein Bündel Power-ups für 50 Euro? Schlechter Deal. Schließlich gibt es noch das Super-Megabündel für 99 Euro! – Manchmal frage ich mich, wer die Menschen sind, die sich auf solche In-App-Käufe einlassen. Ich stelle mir vor, es sind Superreiche, die sich in einem Anflug von Zynismus unsinnige Dinge kaufen, einen Gartendinosaurier zum Beispiel oder ein Grundstück auf der Venus. Vielleicht sind es auch Kinder, die noch nicht wissen, was Geld bedeutet. Oder Menschen, die an Spielsucht leiden. Auf jeden Fall eine bizarre Zielgruppe. Es fällt mir schwer, Spiele mit In-App-Käufen über 30 Euro ernst zu nehmen.
Noch eine nervige Geldgeier-Strategie sind „Pay-to-win“-Spiele. Bei solchen Spielen verlaufen die ersten Minuten normal – und dann will mich die App gezielt frustrieren. Mal soll ich drei Stunden warten, bis ich weiterspielen darf. Mal soll ich ein- und dasselbe Level dutzende Male wiederholen, um scheinheilige „Erfahrungspunkte“ zu sammeln. Der einzige Ausweg: ein In-App-Kauf. Besonders schade ist das, wenn solche Tricks Spiele vermiesen, die eigentlich gut programmiert sind. Da kaufe ich mir doch lieber einen Gartendinosaurier.
Typ 2: Der Doppelagent
Der Doppelagent arbeitet nur halbherzig für seine Behörde. Nebenher verkauft er Geheimnisse an die Gegenseite. Manchmal ist nicht klar, auf wessen Seite er wirklich steht. Bei einigen Apps ist das ähnlich. Das kann zum Beispiel die Gesundheits-App sein, die mir sagt, wie fit ich bin – im Gegenzug fragt sie mich über meine Essgewohnheiten aus. Oder es ist die Schlaf-App, die meine optimale Einschlafzeit ermitteln will – im Gegenzug will sie nachts alle Geräusche aufzeichnen.
Bevor ich von solchen Apps etwas bekomme, muss ich eine Menge privater Daten preisgeben. Im schlechtesten Fall fragt mich die App schamlos aus und liefert dafür eine mickrige Dienstleistung. Im besten Fall nutzt mir die App mehr, als ich ihr nutze. Vertrauenswürdig sind am ehesten kostenpflichtige Apps, die nicht auf den Verkauf der Nutzerdaten angewiesen sind.
Auf die Spitze getrieben hat dieses Prinzip eine Gruppe dänischer Entwickler*innen mit einer App namens „Doliio“. Nutzer*innen sollten der App Zugang zu ihren Social-Media-Accounts geben. Es hieß, die App würde alle privaten Nachrichten von unter anderem Facebook, Twitter und Whatsapp mittels künstlicher Intelligenz auswerten. So könne „Doliio“ die sprachlichen Eigenheiten ihrer Nutzer*innen lernen. Im Gegenzug würde „Doliio“ selbstständig Nachrichten verfassen und Kontakte pflegen. Ob Geburtstagsgrüße oder Smalltalk mit der Familie – all das würde die App auf Wunsch übernehmen.
Das futuristische Angebot war ein Fake und kam nie in die App Stores. Die Entwickler*innen wollten vorführen, wie Leute für eine scheinheilige Dienstleistung ihre privaten Nachrichten preisgeben würden.
Typ 3: Der Klon
Wenn es eine erfolgreiche Spiele-App gibt, dann gibt es davon auch Klone. Die Klone kopieren das Spielprinzip vom Original, haben ähnliche Namen, ähnliche Optik und Icons. Besser sind sie in der Regel nicht. Der Klon hofft vor allem darauf, dass Nutzer*innen ihn mit dem Original verwechseln. Er will sich von der Erfolgswelle mitnehmen lassen. Wenn er sich geschickt anstellt, ist das nicht mal illegal.
Klar werden erfolgreiche Spiele auch von seriösen Entwickler*innen abgewandelt und weitergedacht, dabei können neue Spiele-Genres entstehen. Klone sind da weniger kreativ. Einer der vielen Klone vom erfolgreichen Spiel „Temple Run“ heißt zum Beispiel „Temple Gold Run“. Glänzen tut er aber nicht mit Gold, sondern mit Einfallslosigkeit.
Typ 4: Der Erpresser
Die App vom Typ „Erpresser“ könnte wunderbar sein. Sie tut etwas Cooles und Nützliches, sie lässt sich intuitiv bedienen. Wurden die Nutzer*innen aber erstmal angelockt, stellt die App absurde Bedingungen, sonst geht es nicht weiter. Das gescannte PDF zum Beispiel lässt sich nur auf den Servern des Anbieters speichern. Das Offline-Spiel funktioniert nur mit eingeschalteter Internetverbindung. Das bearbeitete Foto gibt’s nur dann in brauchbarer Auflösung, wenn man sich mit Mailadresse registriert.
Solche Schikanen sind sanfte Erpressung. Entwickler*innen sichern sich damit ihre Finanzierung, sie gewinnen Daten oder binden Nutzer*innen für Werbezwecke. Leider haben Nutzer*innen oft keine Möglichkeit, die Schikanen durch einen In-App-Kauf loszuwerden. Selbst wenn sie gerne etwas zahlen würden – sie müssen sich mit einer App abfinden, die schlechter ist, als sie eigentlich sein könnte.
Ähnlich nervig sind Demo-Versionen, die nicht als Demo-Version gekennzeichnet sind. Das kann zum Beispiel ein Video-Editor sein, mit dem man minutenlang ein Video bearbeitet – nur um zu erfahren, dass sich die Datei erst nach dem Kauf der Premium-Version speichern lässt. Eigentlich ist es eine gute Sache, eine App vorm Kauf testen zu können. In diesem Fall ist der Test aber eine Täuschung, um Nutzer*innen zum Kauf zu drängen.
Typ 5: Die Werbeschleuder
Eine Gratis-App, die sich durch Werbung finanziert: Das ist ein fairer Deal. Richtig nervig sind aber Apps, die wohl nur entwickelt wurden, um Nutzer*innen zwischen den Werbeclips abzulenken. Das betrifft vor allem Spiele. Bei einigen lässt sich die Werbung nicht einmal durch einen In-App-Kauf abschalten. Die Entwickler*innen einer solchen App halten ihre Nutzer*innen offenbar für Geizkragen und trauen hnen nicht mal zu, Geld auszugeben.
Ich stelle mir manchmal vor, dass solche Entwickler*innen ihre Kundschaft nicht besonders mögen und heimlich quälen wollen. Deshalb starten sie schon nach 30 Sekunden Spiel einen 30-sekündigen Werbeclip. Wer die Internetverbindung abschaltet, kann nicht weiterspielen; die Werbung lässt sich also nicht umgehen.
Der winzige Button zum Schließen des Werbeclips ist derweil gut versteckt. Er erscheint erst nach 15 Sekunden und niemals in der Ecke, in der man ihn erwartet. Den Button zu finden ist ein Spiel für sich, ein Suchspiel. Vielleicht sollten Entwickler*innen das nutzen und eine App mit dem Titel „Finde den Button“ entwerfen. In dieser App könnte man sogar nonstop Werbung zeigen.
Typ 6: Der Gaffer
Die App vom Typ „Gaffer“ ist die ehrlichste unter den Typen furchtbarer Apps. Sie will einfach nur Daten sehen. Einen Vorwand hat sie nicht. Sie versucht auch nicht, Nutzer*innen durch Tricks zu In-App-Käufen zu bewegen. Sie fragt einfach nach dem Zugang zum Telefonbuch oder nach der einmaligen Geräte-Identifikationsnummer, unverblümt, wie die Männer in „Biedermann und die Brandstifter“. Für die Funktionsweise der App sind solche Infos unnötig. Oft ist die Funktion von Gaffer-Apps betont bescheiden. Mal ist es ein Puzzle-Spiel, mal eine Akku-Anzeige. Das gefährlichste an der Gaffer-App ist wohl, dass man ihr die Dreistigkeit nicht glaubt.
Klar gibt es auch Mischformen dieser Typen, die sind dann besonders furchtbar – manchmal aber auch besonders unterhaltsam. Über einen kuriosen Fall vom Typ „Geldgeier“ habe ich hier berichtet. Über neue und gute Apps habe ich etwa zwei Jahre lang monatlich für Spiegel Online berichtet.
Verantwortlich für schlechte Apps sind übrigens nicht nur Entwickler*innen, sondern auch die Gratis-Mentalität der Nutzer*innen. Viele sind nicht bereit, ein paar Euro für eine App auszugeben. Deshalb lassen sich Entwickler*innen Gratis-Angebote mit Psychotricks einfallen, um ihre Arbeit zu finanzieren. Das wiederum zementiert die Gratis-Mentalität. Mit etwas Suche lassen sie sich aber finden: Die Apps mit fairem Bezahlmodell und fairem Datenschutz, die vorm Kauf ehrlich zeigen, was sie drauf haben.
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